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Translationes

Aufruf zu Beiträgen

AUFRUF ZU BEITRÄGEN

 

Translationes

 

8-9 (2016-17)

 

Literarische Einschränkungen, potentielle Übersetzungen

(Re)Interpretation, (Un)Ähnlichkeiten, (Neu)Schöpfung

 

 

            In einem anscheinend immer mehr beschränkungsfreien und grenzenlosen Kontext, in dem sowohl die einst nur geträumte Bewegungsfreiheit als auch die mehrsprachige Ausdrucksmöglichkeit als Vektor der Offenheit gegenüber Anderem erlaubt werden, lädt unser Aufruf zur Reflexion über die Einschränkungen [1] (vgl. Mattenklott, „Über einige Spiele in Georges Perecs Roman Das Leben Gebrauchsanweisung”, Zeitschrift Ästhetische Bildung, 1, 2009) und ihre Relevanz in der Literaturwissenschaft und im Bereich der Literatur- und Fachübersetzung ein. Zumal sie einerseits Regeln und Konventionen ausschreiben, andererseits die Bemühungen diese einzuhalten aufzeigen, stellen die Einschränkungen immer noch ein bevorzugtes Bewertungsinstrument für die schriftstellerische und übersetzerische Kreativität dar.

            Sprechen wir nun von Gedichten fester Form (Sonett, Ballade, Rondell), Techniken, Methoden und Verfahren der Oulipo-Gruppe (Lipogramm, Palindrom, Tautogramm, Methode S+N, einbuchstabige Texte), subversiver Literatur in totalitären Regimen, Comics oder Untertitelung, hat die akzeptierte bzw. vorgeschriebene Einschränkung den Schriftstellern und Übersetzern stets ermöglicht, mit Klischees zu brechen, einige vergessene Wörter neu zu beleben, sich selbst neu zu entdecken und somit die „Formulierung Baudelaires” veranschaulicht, „wonach Ideen umso intensiver hervorsprudeln, sobald formale Einschränkung einen Zwang ausüben” (Metz, The kite is nothing without the string – Appropriation und Contrainte/Appropriation als Contrainte”, in : Gilbert (Hrsg.) : Wiederaufgelegt: Zur Appropriation von Texten und Büchern in Büchern, S. 318, 2012).

Wie wird der Übersetzer wohl verfahren, dieser im Schatten verborgene Schriftsteller, damit er den ewigen Autor-Leser-Pakt beibehält und welche Beschränkungen wird er  auferlegen, um diese eingeschränkte Literatur zu übersetzen? Wie wird er wohl handeln, der ja stets zwischen treuer und freier Übersetzung schwankt und sich im Spannungsfeld des übersetzten Texts, des Autors und dessen Denken und Techniken bewegt?

            Wie ist es bei den Fachübersetzungen? Während ein Schriftsteller sein Werk gleich nach dem Erscheinungstag in mehreren Sprachen – und warum nicht? – veröffentlicht haben will, unterliegt eine mehr- oder einsprachige Übersetzung einer Unternehmensbilanz anderen Beschränkungen: Abschluss eines Geheimhaltungsvertrags, Einhaltung einer strengen Frist für die Veröffentlichung usw.

            Bei den audiovisuellen Übersetzungen muss der Übersetzer außer den interkulturellen Herausforderungen auf der Oberflächen- oder Tiefenstruktur des Textes auch die räumlichen Einschränkungen der Untertitelung und das Zusammenspiel von Bild, Ton und Untertitelung berücksichtigen.

            Bei den literarischen Übersetzungen könnte die Loyalität des Übersetzers eine Antwort auf die Kreativität des Autors sein, wobei die Einschränkungen ihn zu einer gelungenen Adaptation führen könnten (Bastin, „La notion d’adaptation en traduction”, Meta, 38, 1993). Es ist allgemein bekannt, dass man Texte der Prosa, lyrische, religiöse  oder technische Texte unterschiedlich übersetzt (Oustinoff, La traduction, 2003), wobei der Texttyp das Herangehen des Übersetzers aufgrund des Ausgangs- oder des Zieltextes bestimmt. Man muss ebenfalls festhalten, dass der Texttyp und/oder die Strategie des Übersetzens auch andere Faktoren heranziehen, die zwar zu neuen Einschränkungen führen, aber die ebenso zu berücksichtigen sind: Abgabefrist, Fachlichkeit im Wortschatz des Textes, Forderungen des Auftraggebers (bei Fachübersetzungen), sozio-kulturelle Elemente, Erwartungshorizont des Publikums, Ansprüche des Verlags (bei literarischen Übersetzungen).

            Wenn es aber Ähnlichkeiten zwischen den Texten, die formale Einschränkungen aufweisen und deren sui-generis Übersetzungen zu finden sind, heißt es dann, dass es genauso viele Übersetzungs- wie Schreibtechniken gibt?

            Soll sich der Übersetzer „auf die Mechanismen der Textproduktion konzentrieren” oder aber „auf die unmittelbare Freude am Lesen” (Collombat, „L’Oulipo du traducteur”, Semen 19, 2005)? Abgesehen davon, ob er die Absicht des Autors in eine Sprache überträgt (im Falle der Literatur) oder eine Fachsprache (dem Fachbereich des Textes entsprechend), scheint die Idiomatizität das Endziel auf der Laufbahn seines Verbs zu bleiben. Anders gesagt, je weiter sich der Bereich der zu übersetzenden Einschränkung sich erstreckt, desto mehr wird der Übersetzer gezwungen, die Rolle des Bedeutungsschöpfers zu übernehmen und dafür alle ihm zur Verfügung stehenden sprachlichen und kulturellen Mitteln einzusetzen. Welches werden - unter diesen Umständen und im Vergleich zu den früheren Jahrhunderten - die gegenwärtigen Bedeutungen des Konzepts der Neuschöpfung eines Textes in der Übersetzung sein? Und wenn wir allgemein zustimmen, dass das Schreiben auf einem weißen Blatt Papier beginnt, wo beginnt dann das Übersetzen?

 (Re)Interpretation, (Un)Ähnlichkeiten, (Neu)Schöpfung sind nur einige Untersuchungs- und Reflexionsthemen, die vom 8. Band des Jahrbuches Translationes (2016) vorgeschlagen werden. Reflektiert man über die Ursachen und die Auswirkungen der Übersetzungen von Texten, die formale Einschränkungen enthalten, so könnte die Idee bestätigt werden, dass das Übersetzen nichts anderes als eine „Kunst der Einschränkung” sei (Keromnes, Traduire : un art de la contrainte, Traduire, 224 2011).   

Übersetzung aus dem Rumänischen von

Karla Lupșan

 

Wichtige Termine:

1. Oktober 2016: Einsendeschluss der Beiträge per E-Mail an: isttrarom.translationes@gmail.com

01-29. Oktober 2016: Bewertung der anonymen Beiträge von zwei wissenschaftlichen Fachgutachtern. Diese sind entweder Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates bzw. der Redaktion oder externe Mitarbeiter.

30. Oktober 2016: Die Bekanntmachung der Annahme bzw. Ablehnung des Beitrages. Zusendung der Beiträge samt der Bewertungsformulare der Gutachter.

15. November 2016: Einsendeschluss der laut Vorschriften korrigierten Endfassung.